Anforderungsanalyse Solawi-Verwaltungssoftware
Im August und September 2023 hat der AK Digitale Transformation Wünsche und Anforderungen von Solawis an Softwarelösungen für die Verwaltung und Organisation ihrer Betriebe und Mitglieder gesammelt. Dazu wurden drei Workshops mit Menschen aus insgesamt elf Solawis durchgeführt. Die Ergebnisse sind auf dieser Seite aufbereitet.
Zusammenfassung:
- Beim Überblick über Mitglieder-, Anteils- und Lieferdaten, besteht Verbesserungsbedarf. Mitglieder können ihre eigenen Daten zudem bisher nicht selbstständig verwalten.
- Der Verwaltungsaufwand ist aufgrund der umständlichen Bedienung und fehleranfällige manuelle Eingaben oft sehr hoch. Dies könnte z.B. durch geeignete Tools zur Automatisierung von Dateneingaben in Tabellenkalkulationen optimiert werden.
- Die Weiterentwicklung und Verbesserung der digitalen Infrastruktur ist zeitaufwändig und erfordert Kompetenzen, welche nur in den wenigsten Solawis vorhanden sind.
Warum haben wir die Anforderungsanalyse durchgeführt?
Die allermeisten Solawis verwalten und organisieren ihren Betrieb immer noch mit Tabellenkalkulations- oder Vereinsverwaltungsprogrammen. Viele Daten müssen manuell eingetragen oder geändert werden, was die Verwaltungsarbeit aufwändig und fehleranfällig macht. Gleichzeitig gibt es bereits einige Softwarelösungen, die speziell für Solawis entwickelt wurden (Vergleich Solawi-Verwaltungssoftware), doch diese sind aus unserer Sicht noch nicht ganz ausgereift bzw. auf die Anforderungen der deutschen Solawis angepasst.
Durch das Sammeln von Anforderungen wollen wir dazu beitragen, dass bestehende oder künftige Softwarelösungen besser auf die Bedürfnisse der Solawis abgestimmt sind.
Teilnehmer:innen
Der Workshop hat an drei Terminen stattgefunden und wurde über BigBlueButton und einem digitalen Whiteboard organisiert. Es haben elf Personen mit verschiedenen Rollen in ihrer Solawi teilgenommen.
Erkenntnisse aus den Workshops
Stimmungsbild
Wir haben zu Beginn der Workshops die Teilnehmer:innen zum Einstieg folgendes gefragt: Welche Gedanken und Gefühle löst das Thema "Digitalisierung von Solawi-Betrieben" bei dir aus?
Viele Teilnehmer*innen erhoffen sich von Digitalisierung eine Vereinfachung und Erleichterung der alltäglichen Arbeit. Sie denken, dass dadurch Prozesse optimiert und Zeit und Papier gespart werden könnten. Außerdem haben sich einige gefreut, dass wir das Thema endlich etwas aktiver angehen. Gleichzeitig gab es jedoch auch nachdenklichere, kritischere Kommentare. Zum einen gab es Befürchtungen vor einem hohen Preis für die Entwicklung und/oder Nutzung der Software. Zum anderen das Eingeständnis, dass man selbst noch gar nicht so genau weiß, was man eigentlich braucht und was wirklich sinnvoll wäre, was die Auswahl der richtigen Software sehr schwierig macht - insbesondere, wenn man über keine tiefen IT-Kenntnisse verfügt.
Beschreibung und Verbesserung der eigenen Prozesse
Wir haben die Teilnehmer:innen in einer weiteren Aufgabe gebeten, die in ihrer Rolle relevanten Prozesse bzw. Tätigkeiten näher zu beschreiben und zu reflektieren. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus waren:
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Die Übergabe von selbstgebastelten Tabellenkalkulationen ist möglich, aber schwierig und passiert selten
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Die Tabellen sind ohne Einarbeitung oft nicht verständlich, außerdem besteht Angst, dass ungeübte etwas kaputt machen könnten
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Dies kann aus unserer Sicht die Abhängigkeit von Einzelpersonen verstärken und bei Urlaubs- oder Krankheitsfällen für Probleme sorgen
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Die Verwaltung der Depothelfer:innen erfordert oft, dass die Verwalterin zu den Depots fahren muss, um Listen zu kontrollieren oder nach dem rechten zu sehen
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Die Möglichkeit der Online-Kontrolle der Depots macht die Aufgabe delegierbar und spart Zeit und CO2
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Die Überwachung des Grundwasserstandes und Bewässerung erfolgt teilweise über Sensoren, deren Daten von einem Mitglied mit eigenen Skripten in Python ausgewertet wird.
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Hier besteht für uns noch Forschungsbedarf: Welche Schnittstellen kann es zwischen Daten aus der Produktionsplanung und Verwaltungssoftwares auch für die Mitglieder geben? Kann eine Solawi davon profitieren, dass bestimmte Daten aus der Produktionsplanung öffentlich sind?
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Feedback zu unseren User Stories
„User Story“ – was soll das denn sein?
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Eine User Story ist ein Konzept aus der Softwareentwicklung, um Anforderungen an Softwarelösungen zu erheben und bewerten.
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Konkret ist es ein Satz, der immer dem selben Muster folgt: Als {Rolle} möchte ich {Handlung tun}, um {Ziel} zu erreichen.
Die Teilnehmer:innen haben in den Workshops von uns gesammelte und geschriebene User Stories bewertet. Einige dieser User Stories werden schon von bestehenden Softwarelösungen abgedeckt, viele aber nicht oder nur unzureichend.
Ausgewählte User Stories
Die folgenden User Stories wurden von den Workshop-Teilnehmer:innen als besonders nützlich bewertet.
Mitglieder-Kurzübersicht Filter- und Sortieroptionen | Als Mitarbeiter:in der Solawi möchte ich verschiedene Filter- und Sortieroptionen für die Mitgliederübersicht, um gezielter benötigte Informationen abfragen zu können |
Vertragskurzübersicht Filter- und Sortieroptionen | Als Mitarbeiter:in der Solawi möchte ich verschiedene Filter- und Sortieroptionen für Verträge, um gezielter benötigte Informationen abfragen zu können. |
Backup-Möglichkeit | Als IT-Admin der Solawi möchte ich Backup-Funktionen haben, damit es weniger schwer wiegt, wenn mal etwas schiefgeht und ich die die Sicherheit habe, dass keine Daten verloren gehen. |
Eigenständige Änderung Abholort | Als Mitglied der Solawi möchte ich eigenständig meinen Abholort ändern können, damit ich keine Person mit Admin-Rechten darum bitten muss es für mich zu machen. |
Eigenständige Änderung Stammdaten | Als Mitglied der Solawi möchte ich meine Stammdaten selbstständig ändern können, damit ich keine Person mit Admin-Rechten darum bitten muss, es für mich zu machen. |
Eigenständiges Zurücksetzen des Passwortes | Als Mitglied der Solawi möchte ich mein Passwort selbständig zurücksetzen können, damit ich keine Person mit Admin-Rechten darum bitten muss, es für mich zu machen. |
EU-Hosting | Als IT-Admin der Solawi möchte ich, dass die Software EU-gehostet ist, damit der Datenschutz gewährleistet werden kann. |
Vermittlung freigewordener Anteile | Als Betreuer:in der Warteliste möchte ich wissen, wann bestehende Mitglieder abwesend sind oder ihren Anteil ganz kündigen, damit ich diesen weitervermitteln kann, damit möglichst wenig übrig bleibt. |
Kündigungsfristen | Als Mitarbeiter:in der Solawi möchte ich den verschiedenen Ernteanteilen bzw. der (Genossenschafts-)Mitgliedschaft an sich Kündigungsfristen zuordnen können, damit ich entsprechend planen kann. |
Umfrage Kündigungsgrund | Als Mitarbeiter:in der Solawi möchte ich wissen, wieso Mitglieder ihren Anteil kündigen, um zu sehen ob/wo Verbesserungspotential herrscht. |
Drei Gebote auf einmal | Als Mitglied der Solawi möchte ich einmalig drei Gebote abgeben können, damit in der Folge eine automatisierte Beitragsrunde durchgeführt werden kann. |
Übertragung Ergebnisse Beitragsrunde | Als Mitarbeiter:in der Solawi möchte ich, dass alle Ergebnisse der Bietrunde direkt den Mitgliedern zugeordnet in das System übertragen werden und an allen relevanten Stellen beachtet werden, damit ich kaum Aufwände für die Verwaltung habe. |
Cashflow und Liquidität | Als Mitarbeiter:in der Solawi möchte ich eine nach Produktkategorien sortierte Vorschau/Prognose über die zu erwartenden Geldflüsse und Einnahmen sehen, um zukünftige Entwicklungen besser planen zu können. |
Übersicht Bestellung und Zahlung Mitglieder | Als Mitarbeiter:in der Solawi möchte ich eine Übersicht über den Bezahl- und Mahnungsstatus sowie die Bestellungen von Anteilen, Zusatzanteilen und Produkten je Mitglied haben, um Probleme frühzeitig erkennen und entsprechend handeln zu können. |
User Story Map
Wir haben eine User Story Map erstellt, in der viele verschiedene User Stories nach unterschiedlichen Bereichen gruppiert sind. Das Ziel davon ist, dass alle Anforderungen der Solawi-Bewegung an Softwarelösungen an einem zentralen Ort gruppiert sind.
Die User Story Map ist für Entwickler:innen von Softwarelösungen gedacht.
Wie geht es weiter?
Da sowohl wir wie auch die Solawis selbst im August und September 2023 wenig Kapazitäten hatten, konnten wir die Workshops leider nicht so detailiert durchführen, wie ursprünglich geplant (eine Workshop-Session je Rolle eines Menschen in der Solawi, also z.B. Buchhalter:in). So sind auch die Ergebnisse allgemeiner ausgefallen, als erhofft.
Bevor wir uns wieder mehr mit Anforderungen an Softwarelösungen für Solawis befassen, werden wir uns überlegen, wie wir auch langfristig genug personelle wie finanzielle Kapazitäten bündeln können, um die Solawi-Bewegung in die Lage zu versetzen, ihre eigene Digitale Infrastruktur zu verbessern und mitzugestalten.
Falls ihr dazu Fragen oder Ideen habt, schreibt uns gerne oder macht mit beim Arbeitskreis IT (techniksolidarische-landwirtschaft.org).