Was ist Solidarische Landwirtschaft?
Die Lebensmittel verlieren ihren Preis und erhalten so ihren Wert zurück.
Wolfgang Stränz, Buschberghof
Ein Konzept der Zukunft
Wie kann angesichts des globalen Super-Marktes eine bäuerliche, vielfältige Landwirtschaft erhalten bleiben, die gesunde, frische Nahrungsmittel erzeugt und außerdem die Natur- und Kulturlandschaft pflegt?
Personen, die in der Landwirtschaft arbeiten, sind im aktuellen System einem großen Druck ausgesetzt. Sie haben oft nur die Wahl, entweder die Natur oder sich selbst auszubeuten. Ihre Existenz hängt von Subventionen und (Welt-) Marktpreisen ab. Auf diese Faktoren haben sie keinen Einfluss und sehen sich gezwungen, über ihre persönliche Belastungsgrenze sowie über die der Natur, Böden, Gewässern und Tieren hinaus zu gehen oder aus der Landwirtschaft auszusteigen. Auch der ökologische Landbau ist von diesem Mechanismus nicht ausgenommen.
In einer Solidarischen Landwirtschaft werden die Lebensmittel nicht mehr über den anonymen Markt vertrieben, sondern fließen in einen eigenen durchschaubaren Wirtschaftskreislauf, der von den Verbrauchenden mit organisiert und voll ausfinanziert wird.
Die sog. Ernteteilenden binden sich (idR für ein Jahr) an einen Hof oder eine Gärtnerei und übernehmen die Verantwortung für das Gelingen des Jahres-Anbaus. Solidarische Landwirtschaft fördert und erhält somit regionale Landwirtschaft, stellt saisonale Lebensmittel zur Verfügung und ermöglicht einen neuen Bildungs- und Erfahrungsraum.
Solidarische Landwirtschaft ist eine innovative Strategie für eine lebendige, verantwortungsvolle Landwirtschaft, die gleichzeitig die Existenz der dort arbeitenden Menschen sicherstellt und einen essenziellen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leistet.
Die ganze Landwirtschaft - nicht das einzelne Lebensmittel - wird finanziert
Konkret handelt es sich dabei um einen Zusammenschluss von landwirtschaftlichen Betrieben oder Gärtnereien mit einer Gruppe privater Haushalte. Erzeugende und Verbrauchende bilden eine Wirtschaftsgemeinschaft, die auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt ist und die Mitwelt, Natur und Tiere berücksichtigt.
Auf Grundlage der geschätzten Jahreskosten der landwirtschaftlichen Erzeugung verpflichtet sich diese Gruppe, im Voraus einen auskömmlichen (meist monatlichen) Betrag an den Solawi-Betrieb zu zahlen. Hierdurch wird den Erzeugenden ermöglicht, sich unabhängig von Marktzwängen einer guten landwirtschaftlichen Praxis zu widmen, die Natur zu schützen und bedarfsorientiert zu wirtschaften.
Die Verbrauchenden erhalten im Gegenzug die gesamte Ernte sowie (sofern der Solawi-Betrieb diese herstellt) weiterverarbeitete Erzeugnisse, wie Brot und Käse. Der persönliche Bezug macht die gegenseitige Verantwortung bewusst. Die Verbrauchenden erleben, wie ihre Ernährungsentscheidung nicht nur die Kulturlandschaft gestaltet, sondern auch soziales Miteinander, Naturschutz und (Arten-) Vielfalt bewirkt und so eine zukunftsfähige Landwirtschaft ermöglicht.
Wesentlich ist also, dass eine Gruppe die Abnahme der Erzeugnisse garantiert und die Ernte bzw. alles, was notwendig ist, um diese zu erzeugen, vorfinanziert. Alle teilen sich die damit verbundene Verantwortung, das Risiko, die Kosten und die Ernte.
In einer Solidarischen Landwirtschaft können alle Beteiligten von dieser Beziehung profitieren:
Die Verbrauchenden...
- erhalten gute Qualität: frische, vielfältige, saisonale und regionale Nahrungsmittel
- gewinnen Transparenz: Sie wissen, wo und wie ihre Nahrungsmittel produziert werden, wer sie anbaut und zu welchen Kosten dies geschieht
- fördern regionale Nachhaltigkeit: Aufbau ökonomischer Strukturen, durch die eine lebendige lokale Landwirtschaft gestärkt wird
- bekommen Zugang zu Erfahrungsräumen und Bildung: Wissen über den Anbau und die Herstellung von Lebensmitteln sowie über Naturschutz und Gerechtigkeitsaspekte
Die Erzeugenden...
- erhalten Planungssicherheit und die Möglichkeit der Unterstützung durch eine Gemeinschaft
- teilen das Risiko, das die landwirtschaftliche Produktion mit sich bringt (z.B. schlechte Ernte auf Grund von Witterungsbedingungen)
- erhalten ein gesichertes Einkommen - unabhängig von der Erntemenge - und somit die Möglichkeit, sich einer gesunden Form der Landwirtschaft zu widmen
- erhalten einen größeren Gestaltungsspielraum für ihre Arbeit wie etwa die Möglichkeit experimenteller Anbauformen, Förderung der Bodenfruchtbarkeit, tiergerechtere Haltung, Anbau samenfester Sorten
- gewinnen mehr Freude an der Arbeit, da sie wissen, für wen sie die Lebensmittel anbauen
- erleben mehr Mitbestimmungsmöglichkeit ihres Arbeitsalltags: Arbeitsstrukturen, die mehr Freizeit und Urlaub ermöglichen, als sonst in dieser Branche üblich ist
Der Solawi-Betrieb...
- ist geschützt vor den Veränderungen des Marktes und hat Planungssicherheit
- kann Produkte verwerten, die sonst auf Grund von Marktnormen im Müll landen würden
- kann eine größere Vielfalt (z.B. seltene Gemüsesorten, bedrohte Haustierrassen) anbieten
- ist geschützt vor dem Wachse-oder-Weiche-Dilemma
Die Region...
- kann durch die Vielfalt in der Landwirtschaft ein Ort mit höherer Lebensqualität werden
- erfährt einen ökonomischen Impuls, da die Wertschöpfung in der Region bleibt
- kann Lebendiger werden durch weitere partizipative Projekte wie Tauschringe, Soli-Cafés, offene Werkstätten uvm
Weiterführende Informationen
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