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Nachruf auf CSA-Pionier Trauger Groh

Trauger Markus Groh – ein landwirtschaftlicher Adept (von Wolfgang Stränz)

* 3. Dezember 1932  † 27. Juli 2016

Das Wort Adept ist abgeleitet von dem lateinischen Begriff „adeptus“ und bezeichnet einen Menschen, der die höchsten Stufen der Erkenntnis und Fähigkeiten durch seine Bemühungen erreicht hat. In den Mysterienschulen der Antike, wurden als Adepten jene bezeichnet, die die Initiation bestanden hatten und dadurch in heiliges, geheimes Wissen eingeweiht waren.

Für Trauger Groh trifft diese Bezeichnung für seine Bemühungen zu, neue Wege in der Landwirtschaft finden, den Boden, die Pflanzen und die Tiere zu heilen und zu pflegen.

Er war ein bedeutender Lehrer für Tausende von Menschen, ein biologisch-dynamisch arbeitender Bauer, ein weltweit tätiger Redner und Berater in landwirtschaftlichen  Fragen und für die Anthroposophie. Seine Vorträge haben in nützlicher und dauerhafter Weise Menschen informiert und inspiriert

 Trauger Groh war schon früh mit den Impulsen von Koberwitz und namentlich mit der Bäuerlichen Gesellschaft Nordwestdeutschlands verbunden. Diese Verbindung fand Ausdruck in der über 50jährigen Beziehung zu Dr. Nicolaus Remer und seiner Frau Erika Remer, die sich über die Jahre hin immer mehr vertiefte.

 

Geboren wurde Trauger Markus Groh am 3. Dezember 1932 in Wien als vierter Sohn des Pfarrers Herman Groh und dessen Ehefrau der Eurhythmistin Lilli Groh geb. Klein. Die ersten Kindheitserlebnisse hatte er in Wien, wo sein Vater eine neue Gemeinde fand und auch das fünfte der Geschwister geboren wurde. Die Wiener Zeit endete 1935, als die Familie, mit nun fünf Kindern nach Dresden übersiedelte. Dort wurde 1937 ein weiterer Sohn geboren. Dresden umrahmte seine Kindheit und Jugendzeit. Hier wurde er 1939 in der Rudolf-Steiner-Schule eingeschult, die er bis zur Verbotszeit 1941 besuchte.

Prägende Erlebnisse seiner Kindheit waren für ihn die wohl zehn Aufenthalte auf dem Schloss Großböhla mit einem Hofgut, wo er erstmalig mit der Landwirtschaft in Berührung kam, und die sicher bei seiner späteren Berufswahl mitgewirkt haben.

 

Die Bombardierung Dresdens am 14./15. Februar 1945 und die näherrückende Rote Armee ließ die Mutter mit den Kindern die Stadt verlassen. Über Oberschwaben erreichte die Familie schließlich das großväterliche Gut Husum in der Nähe von Jever in Ostfriesland.

1946 wurde Trauger Groh als Gastschüler in die Waldorfschule Uhlandshöhe in Stuttgart eingeschult, wo er 1952 sein Abitur machte. Alle Ferien jedoch verbrachte er stets auf Gut Husum.

Wieder zu Hause stand Trauger Groh vor der Frage seiner weiteren Ausbildung. Landwirtschaft kam nicht in Frage, war doch der Hof seines Großvaters in der Erbfolge an seinen älteren Bruder Martin Johannes gefallen.

Traugers Interesse galt immer sozialen und ökonomischen Fragen. So beschloss er, in Göttingen Jura und Betriebswirtschaft zu belegen und merkte bald, dass er hier keine Antworten auf seine Fragen erhielt. Er wechselte die Studienfächer und wählte Anglistik, Slawistik und Osteuropäische Geschichte mit dem Ziel, sich zum Lehramt zu befähigen.

Nach drei Semestern Studium, zuletzt in Berlin, kehrte Trauger Groh auf das Gut Husum zurück, übernahm dort vielfältige landwirtschaftliche Arbeiten und wurde 1954 von seinem Bruder Martin Johannes gebeten, die Führung des Gutes zu übernehmen, da dieser mit der Verwaltung der zum Gut gehörenden Molkereien völlig ausgelastet war. So wurde Trauger Groh mit 23 Jahren selbständiger Landwirt auf 60 Hektar Land.

Das Gut Husum lag unmittelbar benachbart zum Fliegerhorst Upjever der Bundesluftwaffe, die 1964 begann, dort Starfighter und später Tornado Kampfjets zu stationieren. Das Leben auf Gut Husum wurde mehr und mehr durch die Lärmbelastung unmöglich.

 In den 60er Jahren wurde es immer deutlicher, dass der isolierte biologisch-dynamische Hof als Familienbetrieb ohne Nebengewerbe keine Zukunft hat. Es galt den Koberwitzer Impuls, der so umfassend wichtig für unsere Kultur ist, mit neuen Sozialformen zu verbinden. Immer wieder stand das Thema: „Kulturstätten auf landwirtschaftlicher Grundlage" in einem Kreis von Landwirten und Nicht-Landwirten um Dr. Remer zur Debatte. Um hier etwas Neues zu entwickeln, bedarf es der Zusammenarbeit von Menschen. Drei Schritte wurden bezeichnet für diese neue Landwirtschaft:

·      Verwandeln des Bodeneigentums in langfristiges Nutzungsrecht.

·      Verwandeln des Lohnverhältnisses in partnerschaftliche Zusammenarbeit von Selbständigen.

·      Öffnung der Höfe für pädagogische, sozialtherapeutische und geschäftliche Aktivitäten.

Der Verein für Forschung, Fortbildung und soziale Fürsorge auf den Lande e.V. (FFF) wurde gegründet. Mit seinem Programm wurde versucht, praktische Beispiele zu entwickeln.

 

Ein erstes Projekt war Altefeld in Hessen, das sich aber aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten und der Vergabe an Flüchtlingsfamilien zerschlug. Zurückblickend musste Trauger Groh erkennen, dass es auch sozial nicht verkraftbar gewesen wäre, vier Bauernfamilien zur einvernehmlichen Zusammenarbeit auf 400 Hektar zu bewegen..

Einer der im Projekt beteiligten Bauern, Carl-August Loss aus Fuhlenhagen, östlich von Hamburg, richtete seine Gedanken darauf, einen Gemeinschaftsbetrieb auf gemeinnütziger Grundlage auf seinem eigenen 85 Hektar großen, biologisch-dynamisch bewirtschafteten Betrieb einzurichten. Dieser Entschluss verband sich mit der Frage an Trauger Groh, ob dieser zu einer partnerschaftlichen Bewirtschaftung des Hofes bereit sei.

Der alleinige Besitzanspruch auf den Hof stand jedoch einer partnerschaftlichen Bewirtschaftung entgegen. Da entschlossen sich Carl August Loss und seine Frau Heiloh, ihren Hof einer gemeinnützigen Gesellschaft in Form einer Schenkung zu übergeben, die den Partnern ein unbefristetes Nutzungsrecht einräumte.

Dies wurde von der Landwirtschaftsbehörde untersagt, und die Beteiligten landeten vor Gericht. Das Verfahren bescherte ihnen in den nächsten drei Jahren Kosten in Höhe von einer Viertel Million DM, bevor sich diese ungewöhnliche Schenkung durchsetzen konnte. Das Ergebnis war ein von drei Landwirten partnerschaftlich bearbeiteter Hof, auf dem das Risiko geteilt wurde.

Mit Wilhelm-Ernst Barkhoff (1916-1994), dem erfindungsreichen Sozialgestalter und Gründer der Gemeinschaftsbank in Bochum und Vater des anthroposophischen Bankwesens schlechthin, arbeiteten sie später in den siebziger Jahren ein vertiefendes Konzept aus; daraus entstand die noch heute existierende Landbauforschungsgesellschaft Fuhlenhagen.

 

·      Freier Boden,

·      die Abschaffung des Lohnverhältnisses und

·      die Öffnung des Hofes für andere Menschen

gehörten von Anfang an zu ihren drei Grundprinzipien. Mit Wilhelm-Ernst Barkhoff kam nun die Landwirtschaftsgemeinschaft hinzu, die die Liquidität des Hofes über die Gemeinschaftsbank sicherte. Außerdem entstand das Modell der Defizitdeckung durch die Mitglieder der Landwirtschaftsgemeinschaft.

 

Ein Neubau wurde außerhalb des Dorfes auf dem Buschberg errichtet.

1973 begann Trauger Grohs Ehefrau Gisela, die er 1958 geheiratet und mit der er vier Töchter hatte, die sozialtherapeutische Arbeit auf dem Buschberghof. Die Ehe wurde nach zwei Jahren Trennung 1983 geschieden.

Trauger Groh war vorwiegend verantwortlich für die Milchviehherde und die Milchverarbeitung, Carl-August Loss für den Ackerbau und für Mühle und Hofbäckerei. Familie Lehmann begann den Gemüsebau.

Durch die Hereinnahme von Verarbeitung der landwirtschaftlichen Produkte in die Wertschöpfung des Buschberghofes konnte die Ertragslage wesentlich verbessert werden.

 

Zunehmend wurde Trauger Groh eingebunden in die Arbeit der „Bäuerlichen Gesellschaft Nordwestdeutschland“, dem Zusammenschluss der biologisch-dynamischen Bauern in dieser Region. Und er war als Berater und Redner gefragt, die Reisen führten ihn durch ganz Europa, Afrika, Nordamerika und Russland.

Auch die Landwirtschaftliche Sektion der Freien Hochschule am Goetheanum in Dornach forderte ihn zur Mitarbeit auf, wo er im Sektionskreis und Vertreterkreis mitwirkte und dort auch auf den Tagungen die ersten Pioniere der biologisch-dynamischen Landwirtschaft kennenlernte.

 

1979 wirkte Trauger Groh mit in dem dänischen Film „Muldflugden“ („Verwehte Erde“), dessen Text er verfasste und als einer der Hauptdarsteller auftritt. Dieser Film, dessen englische Fassung als „Vanishing Soil“ vorliegt und auf drastische Weise die Unterschiede zwischen industrieller und biologischer Landwirtschaft aufzeigt, begleitete ihn dann auf seinen vielen Vortragsreisen.

 

1983 schied Trauger Groh aus der Betriebsgemeinschaft Buschberghof aus, nachdem er die vorhergehenden Jahre schon vielfach andere Aufgaben übernommen hatte.

Auf einer Vortragsreise 1980 in den USA gelangte er auch in das Camphill-Dorf Copake und traf dort auf ein ungewöhnliches Modell zur Unterstützung der Landwirtschaft. Der dortige Landwirt erzählte ihm, dass er immer so frustriert gewesen sei, da die Haushalte des Dorfes mit ihren Einkäufe auf dem Hof dessen Kosten nicht deckten, insbesondere nicht die Kosten von notwendigen Investitionen. Auf seine Initiative hin habe man sich dann darauf geeinigt, dass dem Hof pro Kopf der Dorfbewohner eine bestimmte Summe im Monat bezahlt wurde. 
Trauger Groh: „Als er mir das erzählte, hielt er hier kurz inne und meinte dann zu mir: ,Und seitdem wächst es hier viel besser.‘ Er war auf einmal frei, das Richtige zu tun.“ Dies war ein Schlüsselerlebnis.

 

1985 siedelte Trauger Groh nach Wilton/New Hampshire in die USA über und heiratete Alice Bennett. Ein Sohn und eine Tochter stammen aus dieser Ehe. Er gründete kurze Zeit später die Temple-Wilton Community Farm zusammen mit Lincoln Geiger und Anthony Graham. In der Waldorfschule von Wilton hatte sich ein Kreis von interessierten Familien gebildet, die den Neuankömmling baten, biologisch-dynamisches Gemüse für sie anzubauen.


Trauger Groh hatte damals geantwortet: „Ich kann das für euch nicht anbauen; der Boden ist hier so schlecht. Ich weiß nicht, was da wachsen kann. Außerdem kann ich mich nicht auf euch verlassen, denn wenn ihr keine Zeit habt, geht ihr in den Supermarkt und ich sitze hier mit meinem Erzeugnissen.“

Die Beteiligten haben sich  dann mehrere Male getroffen und nach einigen Sitzungen konnte Trauger Groh ihnen sagen, was das erste Jahr kosten würde. „Wenn ihr mir diese Summe garantieren könnt, fange ich an“, war sein Vorschlag. Das war 1986 der Startschuss für die Temple-Wilton Community Farm und somit für die „Community Supported Agriculture“-Bewegung weltweit.

 

Trauger Groh hat zusammen mit Steven McFadden das Buch „Farms of Tomorrow“ geschrieben, welches 1990 erschienen ist und 1997 als „Farms of Tomorrow Revisited“ neu aufgelegt wurde. Dieses Buch wurde ins Russische, Japanische, Koreanische, Chinesische, und Dänische übersetzt. 2013 erschien die deutsche Übersetzung im Verlag Lebendige Erde. Es hat viel zur Verbreitung der CSA-Idee weltweit beigetragen.

 

Der Buschberghof hat Trauger Grohs Impuls 1988 übernommen und wurde in Deutschland Vorreiter der „Solidarischen Landwirtschaft“ mit jetzt 109 Betrieben und einer gleich großen Zahl von Initiativen.

 

Trauger Grohs Ideal, „Der Hof der Zukunft“ kann dann als Basis für drei verschiedene Ziele dienen:

• Ein geistig-erzieherisches Ziel: Die Kräfte, die in der Natur und im Hoforganismus wirken, immer besser zu verstehen.

• Ein soziales Ziel: Jedem Menschen, der es möchte, Zugang zu fruchtbarem Boden zu verschaffen, als Mittel, seinen Lebensunterhalt zu sichern.

• Ein wirtschaftliches Ziel: Eine in ihrer Vielfalt ständig wachsende Produktion zu haben, die den Bedürfnissen der örtlichen Gemeinschaft angepasst ist, während der Import von Energie und fremden Stoffen in den Hof immer mehr gegen Null strebt.


Dieses letzte Ziel, das erreicht werden kann und muss, ist die Grundlage eines fortdauernden menschlichen Lebens auf der Erde und des Schutzes unserer Umwelt.

 

Trauger Groh war stolz darauf, dass er in seiner lebenslangen Tätigkeit als Landwirt nie einen Quadratmeter Boden besessen hat.

 

Trauger Groh starb am 27. Juli 2016 auf dem Hof in Wilton/NH.

 

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