Aus dem Netzwerk
Solawi in Österreich - Nachlese zum CSA-Treffen 2021
NACHLESE ZUM CSA-TREFFEN 2021
von Richard Michael
...
Gleich zu Beginn des Treffens warfen wir einen Blick auf das größere Ganze. Unsere beiden Moderatoren, Kornelia und Stefan, zeigten es uns auf ihre Art und stellten uns zuerst auf eine Zeitachse entsprechend den Jahren, die jeder von uns schon mit Solidarischer Landwirtschaft zu tun hat. Zu sehen, wie unterschiedlich tief wir schon drin steckten, war sehr aufschlussreich. Erwarten wir nicht häufig von anderen, was unserem eigenen Erfahrungs- und Wissensstand entspricht? Für ein echtes Miteinander ist diese Erwartung aber nicht hilfreich. Jeder steht für sich auf dieser Leiter und steigt sie hinauf oder hinunter. Aber es ist dieselbe Leiter, die uns verbindet, auf der wir am Besten einander hinauf helfen. Das wurde mir sehr klar bei dieser Übung. Dann sollten wir uns im Raum aufstellen, uns eine große Landkarte am Boden vorstellen und dorthin gehen, woher wir kamen. Und wieder wurde das größere Ganze sichtbar, das wir auch dann noch sind (oder erst dann?) wenn jeder wieder daheim an seinem Platz ist.
Wie befreiend es ist ganz bei sich und ganz bei den Anderen zu sein zeigte sich beim "Nordic Talking". Aufgeteilt in Dreiergruppen erzählte die Person in der Mitte sieben Minuten lang den beiden anderen links und rechts von ihr, was sie zu diesem Treffen führte und was sie sich davon erwartet, ohne dabei unterbrochen zu werden. Dann schwieg sie drei Minuten und die beiden anderen reflektierten das Gehörte. Die Fülle an Einsichten, die sich auf diese Weise in dreißig Minuten ergab, war erstaunlich und übertraf bei weitem die eines normalen Gesprächs.
Nach einer umfangreichen Bestandsaufnahme und Gliederung der brennendsten Fragen und Anliegen der Teilnehmer in Einzel- und Gruppenarbeit, um sie am nächsten Tag im Open Space zu bearbeiten, folgten die Referate.
Stephan war der erste der Referenten. Ermuntert von unseren einfühlsamen Moderatoren schmiss er einfach sein Konzept und redete sich von der Seele, wie es ihm damit ging, dass es 2017 nicht zum Zusammenschluss der Solawis in Österreich, für den er sich lange und mit großem Einsatz eingesetzt hatte, gekommen war. Ich bin ihm sehr dankbar für seinen Beitrag. Aus meiner Sicht hat er den Grundstein gelegt für alles, was noch kommen wird. Er ist damals gescheitert mit seinem Engagement. Aber wäre er es nicht, könnten wir heute nicht erkennen, worauf es in der Zukunft ankommen wird. Nämlich nicht darauf, dass sich im ersten Schritt die Produzenten organisieren, sondern die Menschen, welche die Lebensmittel wollen, welche die Solidarische Landwirtschaft hervorbringt. Dann wird die Nachfrage ganz von selbst die Organisationsstrukturen erforderlich machen, die es braucht, um sie zu decken.
In meinem eigenen Beitrag schlug ich vor am nächsten Tag im Open Space genau darüber zu reden: über die Gründung eines Vereins zur Förderung der Solidarischen Landwirtschaft. Der Zweck dieses Vereins wäre in erster Linie die Öffentlichkeitsarbeit, um die Solidarische Landwirtschaft als konkrete Option und Ausweg im allgemeinen Bewusstsein zu verankern. Der dadurch wachsende Bedarf wird neue Initiativen hervorbringen, die es solange zu unterstützen gilt bis in einer hoffentlich nicht allzu fernen Zukunft alle Menschen zusammen die Solidargemeinschaft bilden werden, welche die Solidarische Landwirtschaft trägt und welche von dieser ernährt wird. Dann erst wird sie die Bestimmung, die in ihrem Namen liegt, zur Gänze erfüllen.
Lorenz sen., Mitbegründer der GeLa Ochsenherz, im Aufsichtsrat der Munus-Stiftung und aktiv in der IG Solawi Leben, welche maßgeblich zur Vorbereitung des Treffens beitrug, hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für die Solidarische Landwirtschaft. Jonas ergänzte mit einer kurzen Vorstellung der Plattform solawi.life und lud alle ein, ihre Solawis auch dort zu präsentieren, sobald die neue Version der Plattform bereit ist.
Bezogen auf die industrielle Landwirtschaft und den "Markt", der dem Geld verpflichtet ist statt dem Leben, war der Kern ihrer Botschaft: "Weitermachen wie bisher ist keine Option." Hinzufügen möchte ich, dass anders weiterzumachen nicht bloß eine Frage des guten Willens ist, sondern eine Frage des eigenen Seins und Denkens, das vom Geld konditioniert ist und von dem es sich zu lösen gilt, obwohl ihm die eigene Konditionierung selbstverständlich ist! Das stellt die eigentliche Herausforderung dar. Eine Ahnung von dieser Aufgabe vermittelt dieser kurze Film über den Autor Eske Bockelmann.
Lorenz jun., Stiftungsvorstand, berichtete von der Entstehung und den Aufgaben der Munus-Stiftung, welche das Schaffen von Gemeinschaftseigentum an Immobilien, Grund und Boden ermöglicht und so die Voraussetzung schafft, dass Menschen ihn bearbeiten können ohne ihn erwerben zu müssen. Die eigentliche Zeit der Munus-Stiftung wird erst kommen. In ihr sehe ich eine zentrale Säule der Solidarischen Landwirtschaft der Zukunft.
Herbert erzählte wie der Verein, dessen Obmann er ist, dem demeterGUT Adam die ganze Arbeit abnimmt, welche mit der Verteilung (sofern diese nicht am Markt erfolgt) und der Verwaltung der CSA verbunden ist. Vereine wie dieser würden vielen Biobauern die Entscheidung auf CSA umzustellen mit Sicherheit um vieles leichter machen.
Stefan berichtete vom Verein für regenerative Lebensmittelversorgung, der ein genossenschaftlich organisiertes System anstrebt aus vernetzten "Zellen" mit 2 - 3 Gärtner*innen und sogenannten local hubs für 8 - 10 Zellen, welche alle Aufgaben erfüllen, die sich auf dieser höheren Organisationsebene besser erfüllen lassen, wie z. B. Lagerung, Vorzucht, Weiterverarbeitung oder Saatgutvermehrung. Um nur ein konkretes Beispiel zu geben für den Nutzen: In Villach könnten wir sehr gut einen großen Erdkeller gebrauchen. Die Errichtung würde über 100000 € kosten. Also unfinanzierbar für die CSA. Zusammen mit der Gemeinde und anderen Interessenten in der Umgebung, wäre ein solcher local hub jedoch durchaus machbar.
Nach dem wundervollen Auftritt von ErdenHerz und den langen Gesprächen bis tief in die Nacht konnte der Open Space am nächsten Tag in der verbleibenden kurzen Zeit nicht mehr als ein Brainstorming sein. Dennoch wurden dort wichtige Impulse gesetzt (Flipchart-Protokoll).
Themen, die im Open Space immer wieder aufgekommen sind und an denen ein besonderes Interesse zu bestehen schien, waren:
- interner Austausch zu praktischen Dingen zwischen den Solawis
- gegenseitige Unterstützung bei Ernteausfällen oder Überschüssen
- gemeinsamer Auftritt nach Aussen und Teilen von Wissen, Skills und Ressourcen, was Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit angeht
Wie wir damit weiter tun und wer sich wozu besonders berufen fühlt, können wir weiterhin bei regelmäßigen Zoom-Treffen besprechen. Das nächste findet am Montag, den 16. August statt (Details weiter unten). Könnte spannend werden.
Dabei begann alles ganz harmlos, als Birgit, die Leiterin der Gemüse CSA Villach letztes Jahr beiläufig meinte, dass sie, nachdem es schon lang kein CSA-Treffen mehr gegeben hätte, gern wieder einmal die anderen sehen würde. "Gute Idee", sagte ich damals. "Bei der Gelegenheit können wir auch gleich darüber reden, wie sich bessere Rahmenbedingungen für die Solidarische Landwirtschaft schaffen lassen." Darüber geredet haben wir am Belehof. Fehlt nur noch das Tun ...
Jedenfalls senden wir euch fürs erste
- die Fotos, die Sybille während des Treffens gemacht hat. Jeder, der selbst Fotos gemacht hat, ist herzlich eingeladen diese ebenfalls ins Album hochzuladen.
- das Flipchart-Protokoll, das Angelika für uns zusammengestellt hat.
- solawi.life, wo ihr eure Solawi eintragen könnt.
- den Solako-Film von Gundi, der in 2 Minuten zeigt, was zählt.
- die Einladung zu unserer Austausch- und Kooperationsplattform (Mattermost).
Der "Marktplatz" ist der Kanal für alle allgemeinen Fragen, Anregungen und Beschwerden. Dort findet ihr schon einige Rückmeldungen zum Treffen. Wer sich zu einem bestimmten Thema oder in ein bestimmtes Projekt einbringen will, kann das gerne im passenden Kanal tun oder einen neuen Kanal oder auch ein neues Team erstellen.
- und schließlich die Einladung zum monatlichen Zoom-Treffen der Arbeitsgruppe Kooperation der IG Solawi für alle Arten von Austausch und zum Koordinieren der Zusammenarbeit an künftigen Projekten.
Fühlt euch bei Interesse herzlich eingeladen zu unserem nächsten Treffen am Montag, 16. August 2021, um 18:30 Uhr per Zoom
Selbst werde ich mich dem Aufbau eines Vereins widmen. Er wird Menschen, welche lieber Lebensmittel aus Solidarischer Landwirtschaft wollen, erlauben diese Form der Landwirtschaft konkret zu fördern. Sobald die Grundlagen gelegt sind, werde ich ein Team auf Mattermost erstellen. Wer sich am Aufbau beteiligen möchte, möge mir das sagen oder schreiben, um eine Einladung zu erhalten.
Danke Euch allen! Dank insbesondere dem Belehof und seinen Bewohnern, die uns ihr Haus ohne lang zu fragen einfach überlassen haben; an Katharina, die CSA-Leiterin vom Belehof, für die umfangreichen Vorbereitungen, die sie getroffen und koordiniert hat; an Niklas, der sie dabei unterstützt und für die Technik gesorgt hat; an die beiden Moderatoren, deren Blick uns weit mehr sehen ließ als unser eigener; an die Referenten, die wortwörtlich ihr Bestes gaben; an die vielen freiwilligen Küchenhelfer und an den, der die Idee gehabt hat die Küchenarbeit so zu organisieren, dass sie richtig Spass macht, und natürlich an den scharfen Bravo, der so meisterlich für uns gekocht hat und uns an seinem Wesen und Wirken teilhaben ließ; zu guter Letzt an Irene, Angelika und Reinhart von ErdenHerz für alles, was sie uns geschenkt haben - und für dieses Lied.
Solawi-Newsletter – frisch auf den Tisch!
Erhalte unseren monatlichen Newsletter rund um die Solidarische Landwirtschaft.